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Digitalisierung wird geprägt durch die Innovationen der Informationstechnologie. So entwickelt sich der unternehmensinterne IT-Bereich vom internen Dienstleister zum zentralen Faktor, der digitale Positionierung erst ermöglicht. Dr. Stefan Heizmann wurde als Leiter Group IT beim Weltmarktführer Gühring KG von Computerwoche und CIO-Magazin als „CIO des Jahres“ ausgezeichnet.
Ein Beitrag von Prof. Dr. Nils Herda, Dr. Kerstin Friedrich, Prof. Dr. Stefan Ruf
Das Zeitalter der Digitalisierung wird geprägt durch die Innovationen der Informationstechnologie. Mit dem Einsatz technologischer Entwicklungen wie dem Internet der Dinge, Industrie 4.0, Big Data, Blockchain, Künstlicher Intelligenz, aber auch Augmented und Virtual Reality verändern sich Unternehmen aktuell erheblich. Sie sind primär getrieben vom unternehmensinternen IT-Bereich, der sich vom internen Dienstleister zur strategischen Waffe entwickelt und die digitale Positionierung erst ermöglicht.
Interessant ist nun, wie die Hidden Champions, die Weltmarktführer des gehobenen Mittelstands, diese Herausforderung annehmen. Gelingt es ihnen, zusätzlich zu den technologischen Alleinstellungsmerkmalen auch die digitale Kompetenz zu entwickeln und somit ihre führende Position in den internationalen Märk-ten damit weiter auszubauen? Die Antwort darauf soll ein Interview mit Dr. Stefan Heizmann klären, der als CIO und Leiter Group IT der Gühring KG aus Albstadt für seine herausragenden Leistungen als „CIO des Jahres“ ausgezeichnet wurde.
Was ist denn genau die Aufgabe eines CIO bei einem Hidden Champion?
Dr. Heizmann: Ein Chief Information Officer oder kurz CIO ist zunächst einmal der für die Informationstechnologie verantwortliche Manager in einem Unternehmen, der auch traditionell als IT-Leiter bezeichnet wird. Ich bin verantwortlich für die globale IT, die mit 75 Mitarbeitern für über 4.000 IT-Benutzer der Gühring KG die weltweite IT-Infrastruktur sowie die Anwendungen entwickelt und betreibt.
Die Gühring KG ist einer der weltweit führenden Hersteller von rotierenden Präzisionswerkzeugen für die Metallzerspanung. Mit über 8.000 Mitarbeitern weltweit, davon über 3.500 in Deutschland, entwickelt, fertigt und vertreibt das Unternehmen an über 70 Produktionsstandorten in 48 Ländern innovative Zerspanungswerkzeuge. Gühring ist auf allen wichtigen Märkten präsent: Kunden aus der Automobilindustrie, der Luft- und Raumfahrt oder dem Maschinenbau setzen auf die richtungsweisenden Werkzeuge, die weltweit nach einheitlichen Qualitätsstandards auf höchstem Niveau gefertigt werden. www.guehring.de
Wie wurde denn Gühring zum Hidden Champion?
Dr. Heizmann: Die Gühring KG wurde 1898 von Gottlieb Gühring in Albstadt-Ebingen auf der Schwäbischen Alb am heutigen Stammsitz gegründet. Das Unternehmen ist bis heute in der Hand der Familie Gühring. Wir haben inzwischen über 8.000 Mitarbeiter, über 1 Milliarde Umsatz und sind weltweit vertreten.
Gühring ist auf rotierende Präzisionswerkzeuge
für die Metallzerspanung spezialisiert.
Gühring ist auf rotierende Präzisionswerkzeuge für die Metallzerspanung spezialisiert. Eine entscheidende Innovation war dabei sicherlich die Erfindung der Werkzeugbeschichtung Anfang der 1980er Jahre, die ein Meilenstein für die Zerspanungstechnologie war, da beschichtete Werkzeuge die Fertigungskosten erheblich reduzieren. Wir sind heute in verschiedensten Branchen aktiv, es dominieren aber die Automobil- und die Luftfahrtindustrie sowie der Maschinenbau.
Was waren die wesentlichen Etappen auf dem Weg mit der IT in die Digitalisierung des Unternehmens?
Dr. Heizmann: Ich bin seit Oktober 2012 Leiter Group IT bei Gühring. Zunächst habe ich mit meiner Führungsmannschaft, die mir vom ersten Tag an das Vertrauen geschenkt hat, die IT-Organisation und die Technik völlig neu ausgerichtet. Wir haben daher zunächst eine eigene IT-Strategie basierend auf der Unternehmensstrategie konzipiert, intensiv mit der Geschäftsleitung diskutiert und dann sukzessive umgesetzt. Damit war die Grundlage für die IT-technischen Innovationen und die Basis für die Digitalisierung gelegt.
Der CIO des Jahres ist die höchste Auszeichnung, die IT-Chefs im deutschsprachigen Raum erreichen können. Seit 2003 verleihen COMPUTERWOCHE und CIO-Magazin aus dem Hause IDG den bekannten Preis, der die Leistung von IT-Führungskräften und den Wertbeitrag der IT zum Unternehmenserfolg honoriert. www.cio-des-jahres.de
Wie sind Sie bei der Entwicklung der IT-Strategie vorgegangen?
Dr. Heizmann: Wir haben uns zunächst einmal mit der Unternehmensstrategie auseinandergesetzt. Da Gühring als Spezialist für beschichtete Werkzeuge und als Weltmarktführer de facto schon immer gemäß der Mewes-Strategie vorgegangen ist, haben wir auch unsere IT-Strategie mit fachkundiger Beratung daran angelehnt. Zunächst haben wir unsere Stärken ermittelt und als Zielgruppen unsere internen Fachbereiche sowie die ausländischen Tochterunternehmen definiert.
Das Denken in Zielgruppen und Engpässen war
vielleicht ungewohnt, hat sich aber ausgezahlt.
Gemeinsam mit meinen Führungskräften ermittelten wir dann in verschiedenen Gesprächen die Engpässe unserer internen Kunden. Für diese wurden anschließend Lösungen erarbeitet, da konnten wir gerade mit innovativen Ansätzen viel bewirken.
Das Denken in Zielgruppen und Engpässen war vielleicht ungewohnt, hat sich aber ausgezahlt. Heute haben wir ein viel besseres Verhältnis mit den Fachbereichen und arbeiten proaktiv in verschiedenen Arbeitskreisen zusammen.
Welche Innovationen haben Sie dann in der IT entwickelt?
Dr. Heizmann: Da wir bei Gühring mit der Kundennummer 35 einer der ersten SAP-Kunden überhaupt waren, verfügen wir hier über eine hohe technologische Kompetenz, insbesondere in der Automatisierung von Geschäftsprozessen. Wir haben diese systematisch ausgebaut und die weltweiten Standorte mit standardisierten SAP B1-Anwendungen versorgt.
Dann wurden innovative IT-Projekte als Grundlagen der Digitalisierung angestoßen – etwa die neue Datenbanktechnologie SAP HANA, ein zentrales Data Warehouse oder das Enterprise Content Management zur unternehmensweiten Dokumentenverwaltung. Auch haben wir das E-Business mit einem B2B-Shop und dahinter liegendem PIM-System (Anm. d. Red.: Produkt-Informations-Management) für unseren Vertrieb neu aufgebaut und inzwischen an diesen übergeben.
Und seit wann beschäftigen Sie sich mit der Digitalisierung?
Dr. Heizmann: Seit 2015 beschäftigen wir uns mit der Digitalisierung. Wir haben uns sehr frühzeitig damit beschäftigt, wie sich die industriellen Strukturen verändern. Man denke nur an die Disintermediation (Anm. d. Red.: Wegfall einzelner Stufen der Wertschöpfungskette) im Handel, der durch das Aufkommen digitaler Plattformen und herstellereigene B2B-Shops konkurrenziert wird. Dann erkannten wir, wie stark wohl unsere industriellen Produkte im Zeitalter des Internet der Dinge um technologische Intelligenz erweitert werden. Daraufhin haben wir dann im Jahr 2016 mit Gühring Digital 2025 eine Digitalisierungsstrategie konzipiert, die wir mit fachkundiger Begleitung wieder an der Mewes-Strategie ausgerichtet haben. Damit wurde dann geradezu ein Feuerwerk an Innovationen gezündet.
Und was haben Sie im Rahmen der Digitalisierungsoffensive dann an weiteren Innovationen gebracht?
Dr. Heizmann: Nachdem wir unsere IT-Organisation agil aufgestellt hatten, haben wir gemeinsam mit unserem an sich schon sehr innovativen Produktionsbereich, den ich wirklich hervorheben möchte, neue Produkte und Techniken erprobt – wie die Datenbrille Hololens von Microsoft, das Sprachsystem Amazon Echo, Mobile Apps und auch einen intelligenten Datenhandschuh für den Einsatz in unserem Lager.
Im Jahr 2016 haben wir mit Gühring Digital 2025
eine Digitalisierungsstrategie konzipiert.
Aber wir setzen inzwischen auch Augmented Reality im Konstruktionsprozess ein und arbeiten gerade an der Maschinenvernetzung mit der IoT-Plattform AXOOM, einem Tochter-unternehmen von Trumpf und inzwischen Partner in der Digitalisierung. Das ist alles bereits jetzt auch für unsere Kunden so interessant, dass wir auf Branchenmessen sogar einen kleinen IT-Stand auf dem großen Gühring Messestand haben und so unseren Vertrieb optimal unterstützen können.
Mit welchen Kooperationspartnern arbeiten Sie in der Digitalisierung zusammen?
Dr. Heizmann: Alleine kann man derartige Projekte nicht angehen. Als Technologiepartner arbeiten wir eng mit SAP und mit Microsoft zusammen, als digitaler Plattformpartner setzen wir auf AXOOM. Aber mir kommt auch zugute, dass wir mit der Hochschule Albstadt-Sigmaringen eine Hochschule haben, mit der wir inzwischen direkt kooperieren. Viele meiner jungen Talente kommen inzwischen direkt als Absolventen von der Hochschule und sind mit ihrer technologischen Expertise für mich ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Digitalisierung.
Ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Digitalisierung: Talentierten Nachwuchs mit technologischer Expertise quasi – direkt vor der Haustüre – findet der Hidden Champion Gühring KG u.a. durch die direkte Kooperation mit der Hochschule Albstadt-Sigmaringen.
An der Hochschule mit dem Doppelstandort Albstadt und Sigmaringen auf der Schwäbischen Alb studieren aktuell 3.500 Studierende an den vier Fakultäten Informatik, Business Science and Management, Engineering und Life Sciences. Die Hochschule ist ein starker Partner der Region und pflegt einen intensiven Austausch mit den Unternehmen der Region. An der Hochschule werden Studierende von den Professoren Herda und Ruf auch in der Mewes-Strategie im Rahmen der Strategielehre ausgebildet. (Foto: Hochschule Albstadt-Sigmaringen) www.hs-albsig.de
Was bedeutet es für Sie, mit Ihrer IT- und Digitalisierungsstrategie dann auch CIO des Jahres geworden zu sein?
Dr. Heizmann: Das war natürlich eine richtige Überraschung für mich, unter so vielen bekannten CIOs namhafter Unternehmen in der Kategorie Industrial Internet ausgewählt worden zu sein, schließlich ist der Wettbewerb CIO des Jahres die höchste Auszeichnung in der deutschsprachigen IT-Community. Aber ich habe nicht alleine gewonnen. Letztendlich war es ein Gemeinschaftswerk der Gühring IT und meiner Kollegen in Produktion, Produktmanagement, Unternehmenscontrolling und Vertrieb.
Ich hatte immer einen starken Rückhalt von meinen vier IT-Abteilungsleitern und meinen IT-Mitarbeitern, die mich alle sehr unterstützt haben. Natürlich steht man jetzt persönlich etwas im Rampenlicht, aber tatsächlich habe ich diese technologischen Entwicklungen über den gesamten Zeitraum intensiv mit meinen Geschäftsführern Bernd Schatz, Dietmar Pfränger, Oliver Gühring und Dr. Jörg Gühring diskutiert. Ein Gemeinschaftswerk – das ist vermutlich das Geheimnis.
Welches sind denn die Herausforderungen an einen CIO im digitalen Zeitalter? Und wo wird die Gühring IT wohl 2025 stehen?
Dr. Heizmann: Ich gehe davon aus, dass wir uns bis dahin noch weiter von der Leistungserbringung in der IT zum Management von Innovationen weiterentwickeln werden. Voraussetzung ist natürlich, dass die Kernsysteme unserer unternehmensweiten IT-Architektur stabil und performant laufen. Wir werden uns mit den heute bereits absehbaren Themen der Digitalisierung beschäftigen, vom E-Business bis hin zur intelligenten Produktion. Höchstwahrscheinlich arbeiten wir dann viel stärker auf der Basis künstlicher Intelligenz, werden viele Kundendialoge über sogenannte Chatbots führen und unterschiedlichste Endgeräte unterstützen, von denen wir einige heute vermutlich noch gar nicht kennen.
Die IT wird auch im Mittelstand zum
Innovationstreiber und Manager von Innovationen.
Ein CIO im digitalen Zeitalter ist daher mehr als ein klassischer IT-Leiter. Die Rolle erfordert eine intensive Beschäftigung mit Geschäftsmodellen, damit technologisch induzierte Innovationen nachhaltig und profitabel in die Märkte gebracht werden können. Die IT wird auch im Mittelstand zum Innovationstreiber. Und eines darf man in der heutigen Zeit nicht vergessen, wir brauchen neue, hochkompetente Talente für die Digitalisierung. Unser Personalbedarf wird steigen, keine Frage.
Weitere Infos:
www.guehring.de
www.cio-des-jahres.de
www.axoom.de
www.hs-albsig.de
Dieser Beitrag erschien im Strategie Journal 01/2018
des Bundesverband StrategieForum.
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